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25. Juli 202325.07.23
Doppelte Ernte mit Agri-PV
Maschinenringe Deutschland GmbH

In der Nähe von Donaueschingen steht mit 14 Hektar eine der größten Agri-Photovoltaik-Anlage Europas. Der Maschinenring übernimmt dabei Heuernte und -verkauf. Auch im Maschinenring Tettnang am Bodensee setzen Obstbauern Hoffnung in die Agri-PV, mahnen aber auch zur Geduld.

Solarpark Aasen: Die Agri-PV-Anlage in Aasen bei Donaueschingen im Überblick Foto: MR Tettnang

Agrarflächen sind hart umkämpft, da sind Photovoltaik-Freiflächenprojekte als weitere Treiber der Pachtpreise sehr häufig alles andere als willkommen. Eine Lösung des Konflikts könnte die Agri-Photovoltaik sein. Dabei könne weiterhin bis zu 80 Prozent des landwirtschaftlichen Ertrags eingefahren werden. Besonders die Sonderkulturen eignen sich sehr gut für diese Doppelnutzung, weil die Modulreihen hier sogar positive Effekte wie eine Verschattung und die Verringerung der Windgeschwindigkeit mit sich bringen. Das sind allerdings noch eher theoretische Überlegungen, denn bei den gesetzlichen Regelungen der Agri-PV in Deutschland herrscht noch viel Unsicherheit. Bislang gelten bei der Projektierung dieselben Regeln wie bei einer Freiflächenanlage ohne agrarische Nutzung.

An der Strombörse

Auch die Anlage in Aasen nahe Donaueschingen gilt als „normale“ Freiflächenanlage nach dem Ausschreibungsverfahren des aktuellen EEG ans Netz. Mehrere Grundstückseigentümer hatten dafür ihre Grünlandflächen an den Betreiber, die Bürgersolarkraftwerke Donaueschingen-Aasen GmbH, verpachtet. Die Größe der Fläche ermöglicht eine installierte Leistung von 4,1 MWp zu einem in der Ausschreibung 2018 konkurrenzfähigen Preis von damals sechs Cent pro kWh. Verbaut wurden bifaciale – also beidseitig aktive – Module des chinesischen Herstellers Jolywood, und zwar vertikal in Ost-West-Ausrichtung, um ganztags möglichst viel Solarstrahlung zu nutzen. Ein wichtiger Baustein zum wirtschaftlichen Betrieb der Anlage, die knapp 700 Euro pro kWp gekostet hat, ist nach Auskunft des Betreibers die Vermarktung des Ertrags an der Strombörse. „Zu den Zeiten, wo andere Solaranlagen wenig Strom liefern, also vormittags und abends, bekommen wir Zuschläge“, sagt Sascha Krause-Tünker vom Projektierer Next2Sun, „das macht in der Gesamtrechnung den entscheidenden Unterschied.“

: Die Mahd zwischen den Solarpanelen gestaltet sich unproblematisch. Foto: Next2Sun

Die Anlage ging im Juni 2020 ans Netz. Die Betreiber kalkulierten mit 1.200 kWh pro kWp installierter Leistung. Das ist vergleichbar mit einer guten südlich ausgerichteten Dachanlage und beweist, dass die beidseitig aktiven Module wie gewünscht von morgens bis abends sehr effektiv arbeiten. Damit die Flächen mit großen landwirtschaftlichen Maschinen befahren werden können, sind die Module in einem Reihenabstand von zehn Metern aufgestellt. Die Höhe beträgt rund drei Meter. Mit rund 15 Prozent weniger Einstrahlung rechnen die Betreiber der Anlage in Aasen durch die Beschattung, die von den Modulen ausgeht. Das kann für den Grasaufwuchs gut oder schlecht sein – gut bei Hitzestress der Pflanzen, schlecht bei ohnehin ungünstigen Wachstumsbedingungen. Im Hitzejahr 2020 hätte eine ihrer Agri-PVAnlagen im Saarland 70 Prozent Mehrertrag gegenüber einer Fläche ohne Verschattung geliefert – ein extremes und deshalb nicht übertragbares Ergebnis, das allerdings die Tendenz für Hitzejahre deutlich macht. Auch das Jahr 2021 war klimatisch extrem. Sehr hohe Niederschlagsmengen machten im Raum Donaueschingen die Heuproduktion zum Glücksspiel – statt zwei Schnitten entschied sich der Maschinenring Schwarzwald-Baar, der für die Agri-PV-Anlage die gesamten landwirtschaftlichen Arbeiten lenkt, für nur eine Ernteaktion, die Mitte August über die Bühne ging.

Mit Erfolg – zehn Großballen Heu pro Hektar wurden eingefahren. Insgesamt müsse man die Grünlandbewirtschaftung im Rahmen dieser Agri-PV-Anlage aber als extensiv einstufen, so Rainer Hall, der Geschäftsführer im Maschinenring Schwarzwald-Baar. Es wird nicht gedüngt, an eine intensive Nutzung mit bis zu vier Schnitten sei hier nicht zu denken. Die gesamte Heuernte wird vom Maschinenring zu marktüblichen Preisen verkauft. Vom Erlös werden die an der Arbeit beteiligten Landwirte bezahlt, der Überschuss geht als Spende an örtliche Vereine.

Bei der Planung der Anlage in Aasen seien die Belange der Landwirtschaft von Anfang an berücksichtigt worden. Der Abstand der Module zum Beispiel ist so gewählt, dass der Einsatz eines Neun-Meter-Flügelmähwerks sehr komfortabel möglich ist. Durch den Einsatz von GPS-Technik beim Mäher wie auch bei Schwader und Kreisel ist die Gefahr, dass die Module bei den Arbeiten Schaden nehmen, noch weiter reduziert.

Sonne und Obst ernten

Obstbaumeister Hubert Bernhard ist Vorsitzender im Maschinenring Tettnang und einer, der mit Herausforderungen offensiv umgeht. Auf der Suche nach Einsparmöglichkeiten kam er zu der Überlegung, die Apfelbäume zu überdachen, um sie vor zu viel Feuchtigkeit zu schützen und so Fungizide einzusparen. Als er dann von der Idee hörte, Solarmodule über die Obstgärten zu bauen, passte plötzlich eins zum anderen: Die Chance, auf Fungizide weitgehend zu verzichten, verband sich mit der Möglichkeit, eine zweite Einnahmequelle für die Fläche zu generieren.

„Das erste Versuchsjahr ist super gelaufen. Die extreme Sonneneinstrahlung hat ohne Überdachung teilweise zu Einbußen geführt, unter den Modulen war dagegen alles bestens."

Seit Mai 2022 steht auf seinem Betrieb eine der Pilotanlagen des Projekts „Modellregion Agri-Photovoltaik Baden Württemberg“. Auf 0,4 Hektar sind seine Apfelbäume mit zwei unterschiedlichen Modultypen mit einer Gesamtleistung von 232 kWp überbaut. Einmal beträgt der Lichtverlust 40 Prozent, einmal 51 Prozent. Die Auswertung der Ergebnisse liegt beim Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme, das im Rahmen des Projekts auf insgesamt fünf Anlagen drei Jahre lang intensiv Daten sammelt. Das Ziel: möglichst klare Ergebnisse, ob sich Obstbau und Solarstromerzeugung sinnvoll verbinden lassen. „Das erste Versuchsjahr ist super gelaufen. Die extreme Sonneneinstrahlung hat ohne Überdachung teilweise zu Einbußen geführt, unter den Modulen war dagegen alles bestens. Ich hatte etwas höhere Erträge unter den Modulen, obwohl ich weniger Pflanzenschutzmittel ausgebracht habe. Am liebsten würde ich direkt im viel größeren Stil loslegen!“, sagt Hubert Bernhard – aber er versteht auch, warum die Wissenschaftler vom Fraunhofer Institut die Erwartungen etwas dämpfen: Erst müssen Ergebnisse aus unterschiedlichen Jahren mit den jeweiligen klimatischen Bedingungen vorliegen. Die nächste spannende Frage ist, ob die überdachten Bäume im Frühjahr eine normale Knospenbildung zeigen. Wenn sie das nicht tun, ist das System einfach noch nicht praxisreif.

Ein Blick in die schattierten Obstbaumreihen Foto: MR Tettnang

„Das Interesse ist riesengroß, die Obstbauern setzen enorme Hoffnungen in die Agri-Photovoltaik“, das wurde Maschinenring-Geschäftsführer Hubert Hengge auf der Fachmesse Fruchtwelt im Januar 2023 in vielen Gesprächen am Stand noch einmal mehr als deutlich. Auch er sieht viel Potenzial in der Doppelnutzung – deutlich mehr Potenzial als für Freiflächenanlagen, die nebenher keine landwirtschaftliche Nutzung des Landes erlauben. Hengge sieht jetzt die Maschinenring-Gemeinschaft gefordert, den Landwirten mit soliden Informationen zur Seite zu stehen.

Gleichzeitig bastelt er mit seinem Team und natürlich in enger Abstimmung mit Hubert Bernhard daran, seine Obstbauern bei einem Einstieg in die Agri-PV zu unterstützen. „Wir können uns sehr gut vorstellen, in einer Art Baukastensystem unterschiedliche Serviceleistungen anzubieten. Das kann von der Beratung über Unterstützung bei den Anträgen bis hin zu einer Art Rundum-Sorglos-Paket inklusive der Vermarktung des Stroms gehen“, so Hengge.

Das dringendste Problem ist das derzeit sehr langwierige Genehmigungsverfahren. Wie beim Bau einer Freiflächenanlage muss man aktuell mit ein bis zwei oftmals aufreibenden Jahren bis zur Genehmigung rechnen. „Es ist wichtig, dass wir uns auch für eine politische Lösung stark machen“ meint Hubert Bernhard, „für Agri-PV sollte es ein privilegiertes Bauverfahren geben.“ Solange es das nicht gibt, sind teure und langwierige Bebauungsplanverfahren mit teilweise kostspieligen Gutachten für eine Genehmigung notwendig.

Die Testanlage

Dieses Procedere ist Hubert Bernhard beim Bau der Testanlage erspart geblieben. Er baut in seinem Vollerwerbsbetrieb auf 65 Hektar Äpfel an: Jonagold, Kanzi, Greenstar, Red Prince, Gala und Pinova. 0,4 Hektar davon, die mit achtjährigen Gala-Bäumen bestückt sind, wurden im Rahmen des Projekts mit einem Dach aus Solarmodulen überbaut. Dafür musste die Hagelschutz-Anlage komplett abgebaut und durch ein über vier Meter hohes Gerüst ersetzt werden. Die Module sind in einem Winkel von zehn Grad aufgebaut.

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